Mittwoch, 19. Juli 2017

Ursula Kissig sagt tschüs

 Ihr Applaus: Ursula Kissig wurde aus dem Vorstand
verabschiedet. (Foto: Jörg Frenzel, kommunikatem)
Die langjährige stellvertretende Vorsitzende des DRK wurde auf der Hauptversammlung aus dem Vorstand verabschiedet - und ist jetzt Ehrenvorsitzende!

Von Jörg Frenzel am 19.07.2017
Quelle: wedel.de

"Miss DRK" erhielt stehende Ovationen - und das mir Recht! Wenn man die Zeit rechnet, die Ursula Kissig seit mehr als 41 Jahre in den Wohlfahrtsverband steckt, würde leicht ein zweites Leben daraus. Die langjährige zweite Vorsitzende war immer präsent, immer im Einsatz, immer mit einem großen Herzen. Es ist also nur folgerichtig, dass Ursula Kissig auf der Jahreshauptversammlung des Wedeler DRK den Ehrenvorsitz angetragen bekam.

Erfinderin und jahrzehntelange Organisatorin und Begleiterin der Montagsseminare, treue Helferin der vietnamesischen Boatpeople in den 70ern, geschickte "Personalreferentin", wenn es darum ging, einen neuen Mann an der DRK-Spitze zu finden, der "unter ihr das Amt des Vorsitzenden ausübte". Kein Mensch hat das Wedeler DRK so repräsentiert wie Ursula Kissig.

"Dass der Verein so einen guten Ruf besitzt, ist insbesondere dir zu verdanken", sagte Vorsitzender Horst Rauser. Als "Fels in der Brandung der sozialen Netzwerke" wurde sie vom Sozialausschussvorsitzenden Lutz Degener beschrieben. Bürgermeister Niels Schmidt zeigt Respekt vor ihrer "fantastischen Lebensleistung." Aus gesundheitlichen Gründen zieht sich die Bundesverdienstkreuzträgerin jetzt aus dem Vorstand zurück.

Das mag traurig sein, für alle Kissig-Fans - doch, wenn sich jemand den Ruhestand verdient hat, dann sie. Das DRK-Leben muss trotzdem weitergehen und das tut es. Als Nachfolgerin wählte die mit 84 Mitgliedern selten stark besuchte Jahreshauptversammlung Claudia Bakan (66) - und zwar einstimmig. Die pensionierte Lehrerin ist in Wedel auf sozialem Gebiet keine Unbekannte. Beispielsweise war sie maßgeblich am Aufbau der Wedeler Tafel beteiligt.

Auch im vorigen Jahr wurde vom DRK wieder Erhebliches geleistet: Kleiderkammer, Blindenbücher, Sozialstation, "Menschen helfen Menschen", Schulsanitätsdienst - das sind nur einige der Mosaiksteinchen, die das große Panorama-Bild der guten Taten formen. Mehr als 12.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit stecken darin, was rechnerisch acht Vollzeitstellen oder rund 200.000 Euro Personalkosten ergäbe. Insgesamt 1,75 Millionen Euro wurde im vergangenen Jahr vom DRK umgesetzt. 80.000 Euro gab es als Zuschuss von der Stadt. "Wir danken herzlich dafür, ohne das Geld wäre das Angebot in unserer Begegnungsstätte nicht aufrecht zu erhalten", sagte Vorsitzender Rauser. Mehr als 14.000 Besucher wurden in der Begegnungsstätte gezählt, rund 700 Mitglieder gehören dem Verein an.

Bürgermeister Niels Schmidt brachte es auf den Punkt: "Das DRK ist ein verlässlicher Partner im sozialen Netz. Vielen Dank!"

„Ein Tag von fast epochaler Bedeutung“

DRK: Ursula Kissig als Vizevorsitzende verabschiedet

Von Oliver Gabriel am 19. Juli 2017
Quelle: Wedel-Schulauer Tageblatt

Der Applaus brandete bereits bei der bloßen Erwähnung ihres Namens auf, noch bevor die ersten würdigenden Worte über Ursula Kissigs Wirken für das Deutsche Rote Kreuz Wedel fielen. Worte, die von höchster Anerkennung für „Miss DRK“ zeugten, die nach rund 42 Jahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Vizevorsitzende des Wedeler Ortsvereins kandidierte.

Jenes Ortsvereins, den sie „wie kein anderer geprägt hat“, so Vorsitzender Horst Rauser. Praktisch kein Projekt, das sie nicht angestoßen oder aktiv begleitet habe in jenen vier Jahrzehnten, in denen sie zum „Aushängeschild“ des DRK Wedel wurde. Exemplarisch hob Rauser die Begegnungsstätte und die Kleiderkammer hervor und konstatierte: „Dass unser Ortsverein so einen guten Ruf hat, ist vorrangig Dir zu verdanken“ – Ursula Kissig, die an diesem Abend zur Ehrenvorsitzenden ernannt wurde. Lutz Degener (CDU), Vorsitzender des Sozialausschusses richtete seine Worte im Namen der gesamten Wedeler Politik an Kissig: „Dies ist ein Tag von fast epochaler Bedeutung“. Die scheidende Zweite Vorsitzende sei ein Fels in der Brandung der sozialen Netzwerke Wedels gewesen und hinterlasse große Spuren. Auch wenn die Fraktionen sie durchaus offensiv erlebt hätten, wenn sie für „ihr Baby, die Begegnungsstätte“, gekämpft habe, danke er ihr „aus tiefem Herzen für viele Jahre konstruktiver Zusammenarbeit“, so Degener. Und Bürgermeister Niels Schmidt fügte mit einem Lächeln hinzu: „Egal, wer unter Ihnen Vorsitzender war: Es hat immer hervorragend funktioniert.“ 

Ursula Kissig selbst hielt ihre Rede kurz und merkte bescheiden an, sie habe keineswegs allein gewirkt, sondern mit vielen gemeinsam: „Ich danke allen, die mich in den vielen Jahren begleitet und unterstützt haben. Ihr seid toll, macht weiter so.“ Dann schlug ihr doch hörbar die Rührung auf die Stimme. „Dafür gibt es gar keinen Grund“, entschuldigte sich Kissig, bevor sie sich unter Beifall wieder setzte.

Zu dem wohl geordneten Rückzug gehörte, dass eine Kandidatin für die Nachfolge Kissigs präsentiert werden konnte, die nach eigener Aussage reiflich Zeit hatte, sich an die neue Aufgabe heranzutasten. Der Anruf von Rauser sei gekommen, nachdem sie beschlossen hatte, die Vorstandsarbeit bei der Wedeler Tafel nach rund zehn Jahren anderen zu überlassen, so Claudia Bakan. Die 66-Jährige habe sich überzeugen können, wie gut die Arbeit in den einzelnen Bereichen des rund 700 Mitglieder starken Vereins laufe und daraufhin ihren Hut in den Ring geworfen. Die Versammlung wählte Bakan einstimmig ins Vizevorsitzenden-Amt, das laut Satzung mit einer Frau besetzt werden musste. Volker Blöß bildet bereits seit 2004 den männlichen Vize-Vorsitzenden-Part. Allerdings nur noch zwei Jahre, kündigte er während der Sitzung an. Als Beisitzerin wurde Maria Inkmann im Amt bestätigt.

Neben Ehrungen blieben sonst vor allem Zahlen, die den Status des DRK-Ortsvereins illustrierten. Insgesamt 12 096 ehrenamtliche Arbeitsstunden seien 2016 geleistet worden, so Rauser. Dies entspreche acht Vollzeitstellen und mindestens 200 000 Euro Lohnkosten. 14 392 Menschen hätten im vergangenen Jahr die Begegnungsstätte genutzt, die mit 80 000 Euro von der Stadt bezuschusst werde.

Bei 1,796 Millionen Euro Einnahmen vor allem aus der Sozialstation und der Wohnungswirtschaft konnten 35 000 Euro den Rücklagen zugeführt werden. Geld, das etwa zur Sanierung des Mittelbaus in der Höckner-Straße benötigt werde. Zum Neubau-Projekt in der Pinneberger Straße 92 auf dem Gelände der ehemaligen Rettungswache mit einer Senioren- und einer Dementen-WG (wir berichteten) verdeutlichte Rauser: Angesichts des Kreditrahmens von sechs Millionen Euro, den die außerordentliche Mitgliederversammlung gesetzt habe, müsse man sich das Vorhaben „sehr genau ansehen, bevor wir uns in dieses Abenteuer stürzen“. Und Richtung Politik verdeutlichte er: Zurzeit decke die Wohnungswirtschaft gerade so die Ausgaben. Weitere Sozialwohnungen könne sich das DRK Wedel bei einem Anteil von jetzt 63 Prozent nicht mehr leisten.

Sonntag, 16. Juli 2017

41 Jahre Engagement fürs DRK

 Foto: I. Jacobshagen 
Vize-Chefin Ursula Kissig zieht sich zurück.

Von Inge Jacobshagen am 15.07. 2017
Quelle: Wedel-Schulauer Tageblatt

Sie mag es nicht, ins Licht gestellt zu werden. „Das ist nicht mein Ding“, sagt Ursula Kissig trocken. Lieber wirkt sie im Hintergrund, macht etwas, organisiert, hilft. Doch einmal muss Wedels „Miss DRK“ die offiziellen Lobpreisungen noch über sich ergehen lassen. Nächsten Montag, 17. Juli, auf der Jahreshauptversammlung des DRK. Denn Kissig hört als Zweite Vorsitzende auf. Nach 41 Jahren. Ihre Gesundheit spielt nicht mehr mit.

Auch wenn die Kräfte nachlassen, ihre Schlagfertigkeit hat die Wedelerin nicht verloren. Pointiert und in der ihr eigenen Art, in kompakten Sätzen die Meinung prägnant und verschmitzt auf den Punkt zu bringen, erzählt sie im Gespräch mit unser Zeitung aus ihrer reichen DRK- Vergangenheit. In die Pflicht nahm sie 1976 Bürgermeister Fritz Hörnig. So etwas darf hier nicht einfach so rumlaufen, das ist Verschwendung, habe er damals unmissverständlich klar gemacht. Eigentlich wollte der hartnäckige Bürgermeister sie für die Politik gewinnen. „Aber Politik, das ist nichts für mich“, stellt Kissig klar. Weil Hörnig auch DRK-Vorsitzender war, wurden es das Rote Kreuz.

Gruppen aufbauen und ebenso unbeirrbar wie ausdauernd Zuschüsse von der Stadt einfordern, das wurde Kissigs Welt. Die Montagsseminar-Reihe war eine ihrer ersten Ideen. „Sie ist die Erstgeborene. Natürlich hängt da mein Herz dran“, sagt Kissig und lacht. Die ersten Treffen fanden noch in der Gaststätte Strandbaddamm, auf dem Rasen vorm Schulauer Fährhaus gelegen, statt. 1982 ging’s in die neue Begegnungsstätte.

Die Ideen für Themen und Dozenten sammelte Kissig aus der Zeitung. Noch heute ist ihre Schublade voller ausgeschnittener Artikel. Dass sie eine ausgeprägte Überredungskunst besitzt, davon zeugen nicht nur 82 Halbjahresprogramme, die sie mit Referenten besetzen konnte, sondern auch deren Namen. Uwe George, der Bruder von Schauspieler Götz George konnte sie ebenso nach Wedel locken wie Rüdiger Nehberg. Der war sogar zwei Mal da. „Das hat einfach Spaß gemacht“, antwortet Kissig auf die Frage nach ihrer Motivation. „Dann wurde es Pflicht. Aber ist es nicht auch ein Vergnügen, sich in Zeitnot zu setzen, wenn wieder ein Programm ansteht?“, fragt sie lächelnd. 

Nachfolger von Hörnig wurde Baumeister Heinz Töpper. „Ich hab mir meine Vorsitzenden immer selbst gesucht“, erläutert Kissig selbstbewusst. Wichtig war ihr, dass die Kandidaten im Rathaus gut vernetzt waren. Den Rest erledigte auch hier ihr rhetorisches Geschick: „Im Überreden war ich ziemlich gut“, sagt sie. Als Kissig Joachim Reinke in den Vorsitz holte, gab’s Gemecker. „Wie kannst du dir bloß so einen stammen SPD-Mann ins Boot holen“, wurde sie angegangen. „Der ist einfach gut“, lautete ihre entwaffnende Antwort. Auch der Christdemokrat Peter Meier brachte als DRK-Chef die Dynamik mit, die Kissig wollte. „Der hatte tausend Ideen im Kopf“. Und wie schon Bürgermeister Hörnig sagte er: „Machen Sie mal. Das kriegen sie schon hin.“

Ihr verstorbener Mann habe sie in ihrem Engagement immer unterstützt, erzählt Kissig. „Der hatte eine Engelsgeduld.“ Kennen gelernt hat sie ihn in Hamburg. Dort wollte die gebürtige Paderbornerin Lehrerin werden. Doch es wurde eine Verwaltungskarriere. Neben dem Studium jobbte Kissig bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie machte sich dort so gut, dass die sie unbedingt behalten wollten. Eine Inspektorenlaufbahn folgte. 1970, bereits in Wedel, kam Sohn Michael auf die Welt. Das hinderte Kissig nicht in ihrem ehrenamtlichen Engagement. Er kam einfach überall hin mit: „Ein sehr pflegeleichtes Kind.“

Neben sozialer Teilhabe für Senioren setzte sich Kissig früh auch dafür ein, dass alte Menschen lange selbstständig leben können. Bereits Ende der 1980er initiierte sie den Bau behindertengerechter Wohnungen. „Das hat sich bewährt“, so ihr knapper Kommentar ihrer Weitsichtigkeit. Fürs DRK war Kissig eigentlich rund um die Uhr im Einsatz. Sogar wer nachts etwas auf dem Herzen hatte, konnte sie anrufen. Das waren manches Mal belastende Sachen auch für sie, gibt sie zu. Aber das habe sich gelegt, sagt Kissig.

Für ihren Einsatz für die vietnamesischen Flüchtlinge in den 1970er Jahren bekam die Zweite Vorsitzende das Bundesverdienstkreuz überreicht. „Ich fand es uneinsichtig, dass man nicht mehr tat.“ Von den ersten 30 Boatpeople in Wedel konnte einer halbwegs Deutsch, und der war Nordvietnamese. Der wurde von den Südvietnamesen natürlich gemieden, erzählt sie und lacht. Sie behalf sich mit ihrem Schulfranzösisch, die Integration klappte hervorragend. Aus Dankbarkeit standen Weihnachten oft 120 Schützlinge vor ihrer Tür, die alle Platz in der Wohnung fanden. Bis heute bestehen die Verbindungen. Gerade erst rief ein Junge an, um zu erzählen, dass er sein Abitur bestanden habe, berichtet sie strahlend.

Nicht allen gefiel ihre Flüchtlingsunterstützung damals. Kissig wurde angefeindet, bekam Drohanrufe. Später allerdings erhielt sie dann weitere Auszeichnungen: die Wedeler Ehrennadel und die Gerhard-Stoltenberg-Medaille, obwohl sie kein CDU-Mitglied ist. Zusammen liegen die Orden „irgendwo im Regal“.Anstecken mag sie sie sich nicht. Dazu ist sie zu bescheiden. Eine Eigenschaft, die ebenso charakteristisch für Kissig ist wie ihre Überredungskunst, und die sich auch in ihrer Rückschau zeigt: „Ich denke, wir haben einiges bewegt“, sagt sie knapp. Karte Sie wollen nichts