Vita in Versen

Anlässlich meines 65. Geburtstages im Jahr 2002 hat sich mein Sohn Michael etwas Besonderes ausgedacht und vor dem versammelten Auditorium vorgetragen und mir damit eine große Freude gemacht:


Ode an meine Lieblingsmutter

Meine Mutter, Ursula,
seht sie an, dort sitzt sie, da,
feiert heute, man bedenke,
trotz heftig knackender Gelenke,
ihren Fünfundsechzigsten,
und ohne Aber, ohne Wenn,
ist der Weg bisher gelungen,
mit Höhen und auch Niederungen.

Vorm Kriege auf die Welt gekommen,
der Katastrophe knapp entronnen,
mit zwei Brüdern aufgezogen,
streng katholisch - ungelogen,
vom Tennisfieber angesteckt,
hat sie stets was ausgeheckt.

Nach der Schule folgten Jobs,
die meisten waren eher Flops,
dann die Berufsgenossenschaft,
dort hatte sie ganz schnell gerafft,
dass dieses wohl was Nettes wäre,
gut bezahlt, mit Atmosphäre,
als Bonus gab’s ‘nen Ehemann,
und nach einer Weile dann,
kam als Nachschlag hinterher,
das Wunschkind - na, ihr wisst schon, wer!

Die Freude war kaum abgeklungen,
da sah man sich auch schon gezwungen,
sich räumlich mehr zu exponieren
und in ein Haus zu investieren.
Windeln wechseln, Wäsche waschen,
Putzen und das Essen machen,
Kaffeeklatsch und Einkaufsbummel,
öfter mal ‘n neuer Fummel,
machten Anfangs sogar Lust,
doch schon bald kam auch der Frust,
der Wunsch, sein Leben zu gestalten,
sich persönlich zu entfalten.

Die junge Mutter fragt sich nun:
„Was kann ich ansonsten tun?
Wirken, dort wo ich schon war,
oder vielleicht beim DRK?“
Nur kurz war die Bedenkenszeit
und unsre Ursel war bereit,
mit des Ehemannes Segen,
ehrenamtlich loszulegen.
Nie verdrossen, immer heiter,
fing sie an und machte weiter,
kreierte und erschuf Visionen,
verbaute dann ein paar Millionen:
Tagesstätte, Sozialstation,
Betreutes Wohnen - war’s das schon?
Den Rettungsdienst, ich fast vergaß,
der nur in Not-Baracken saß,
'auch er erhielt ein Domizil -
der großen Werke war‘n es viel.

Fast dreißig Jahre hat sie jetzt
ihre Ideen umgesetzt
In dieser Zeit ihr Mann verstarb
und als der Tod sie selbst unwarb,
erlitt sie einen Herzinfarkt,
doch der ist gänzlich abgehakt.
Als Lohn hat sie viel Dank erhalten,
von den Kranken, von den Alten,
von ihren Freunden und Bekannten,
und von vielen Ungenannten -
selbst der Staat war ganz entzückt,
hat ein Verdienstkreuz aufgedrückt,
der Frau, zu deren Ehren heute,
sich eingefunden haben Leute,
sie zu feiern und zu loben,
mit ihr über’s Parkett zu toben,
ihr Glück zu wünschen für den Weg,
auf dem sie schnurstracks weiter geht.

Viel vollbracht hat sie im Leben,
wenig genommen, viel gegeben,
ein Ende ist nicht abzusehen -
bleibt nur eine Frage stehen:
„Kann es eine Bess're geben?
Ich denke nicht in diesem Leben“!